Der Semper-Bau

Die Villa Garbald im Bergell, mit deren Bau im Frühling 1863 begonnen wurde, bildet einen Gegenpol zu Gottfried Sempers Grossprojekten in den europäischen Metropolen von der Dresdner Oper und dem Wiener Burgtheater über das Stadthaus in Winterthur bis hin zum Polytechnikum in Zürich, der heutigen ETH. 

Der geografischen Lage entsprechend entschied sich Semper, damals Architekturprofessor in Zürich, für eine Casa rustica. Er vermied zwar lokaltypische Elemente, orientierte seinen Entwurf jedoch an einer grundsätzlichen italienischen, präziser: lombardischen Formensprache.

Gleichzeitig sollte das «südliche Haus» – Sempers einzige cisalpine Realisation – den Repräsentationsansprüchen und dem liberalen Geist der Bauherrschaft gerecht werden. Gegen Süden, zur Dorfstrasse, präsentiert sich das Haus mit einer kompakt-schmalen, wohlproportionierten Hauptfront, zwei Fensterachsen und einem Satteldach, unter dem sich ein Speicher (Solaio) öffnet.

Die zum Hang orientierte Rückseite dagegen unterstreicht die Mehrgliedrigkeit des Komplexes, was unterschiedlich gerichtete Pultdächer betonen. Südliches Flair vermittelt die strassenseitige, langgezogene Terrasse mit ihrer Pergola.

Leicht erhöht folgt sie dem Verlauf der Strasse und erweitert sich im Eingangsbereich zu einer Art einladender, aber intimer Piazzetta, von wo man das Haus betritt.

Der in einem rötlichen Beigeton verputzte dreigeschossige Bau ruht auf einem Granitsockel. Aus Granit sind ebenfalls Treppen, Simse und Portaleinfassungen; die Laibungen zeigen die für das 19. Jahrhundert charakteristische Imitationsmalerei.

Die in der Villa Garbald vorgefundene Qualität und die Vielfalt der Dekorationsmalereien, welche Räume und Treppenhaus nach einem raffinierten Farbkonzept zieren, sind zweifellos eindrücklich. In Profanbauten der Schweiz gibt es nur wenig vergleichbare Dekorationsmalereien aus der Zeit um 1860, die sich bis heute erhalten haben.

Interessanterweise hat Semper die Bauarbeiten nie vor Ort überwacht. Umso erstaunlicher ist die geglückte Selbstverständlichkeit, mit der sich die Villa Garbald in ihre Umgebung einfügt.

Die Villa Garbald steht seit 2004 unter kantonalem wie eidgenössischem Schutz.

 

Gottfried Semper. Künstler und Architekturtheoretiker (ethz.ch)